Seit dem berühmten Artikel von Lynn T. White The historical roots of our ecological crisis aus dem Jahr 1966 wird das Christentum in seiner Auslegung der Bibel wesentlich mitverantwortlich gemacht für die ökologische Krise. Es ist nicht allein der Herrschaftsauftrag aus Gen 1,28, der ihm zur Last gelegt wird. Noch weit grundlegender ist es die Rede vom Menschen als der Krone der Schöpfung und eine daraus abgeleitete Anthropozentrik, die die Natur als ein Gegenüber konstruiert und die Verbindung zwischen Mensch und ihn umgebender Welt grundlegend durchtrennt habe. Mit weitreichenden Folgen. Wenn das Christentum nun derart verantwortlich gemacht wird für die ökologische Krise – kann es dann auch zu ihrer Überwindung beitragen?

Hier gilt es nicht nur, an Traditionen des Christlichen anzuknüpfen, die eine Interdependenz von Schöpfung und Mensch anzeigen und auf die sich aktuell neu besonnen wird. Zentral ist hier vor allem die Bindung von Nachhaltigkeit an Gerechtigkeit und die Ermöglichung von Lebensmöglichkeiten. Darin erschließt sich das Thema Nachhaltigkeit theologisch aus einer Perspektive, die die Documenta 15 mit dem Konzepttitel Lumbung ins Zentrum rückt. Die Begegnung mit zeitgenössischer Kunst ist dabei als locus theologicus zu begreifen. Sie ist ein Ort, an dem sich eingeübte Seh- und Denkgewohnheiten verlernen und Sensibilitäten neu gewinnen lassen, um von dort einen neuen Blick auf die christlichen Traditionen zu gewinnen. Umgekehrt sind auch die Debatten um Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit durchzogen von religiöser Motivik, und die geplante Ausstellung in der Elisabethkirche ist ein Paradebeispiel dieses Interchanges.

Im Seminar sollen Studierende vermittels der Erarbeitung und Diskussion einschlägiger theologischer Positionen sowie der Auseinandersetzung mit konkreten Kunstwerken für die Verbindungen von Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit sensibilisiert werden. Ziel ist die Befähigung, aktuelle Nachhaltigkeitsdebatten ebenso kritisch zu bewerten wie einen genuin theologischen Beitrag argumentieren zu können.